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Deutschland Schwarz-Weiss (SEPT 19)

im Aug. 2019

Liebe Freundinnen und Freunde des politischen Kabaretts,

wie viele von Euch ja wissen, bin ich im Gelsenkirchener Stadtteil Schalke gegenüber dem Stadion "Glückauf Kampfbahn" aufgewachsen, was mich so dermaßen nachhaltig geprägt hat, dass mein Herz in den letzten Wochen genau so nachhaltig jetzt gebrochen wurde.

Bevor ich näher darauf eingehe, möchte ich jeden einzelnen jetzt erst mal bitten, sich selber ganz ehrlich eine Frage zu beantworten, nämlich: "Wie oft wurdest Du in Deutschland schon mal wegen Deiner Hautfarbe benachteiligt?" Wenn Deine Antwort: "Nie" lautet, möchte ich Haus und Hof darauf verwetten, dass Du weiss bist.

Und eine zweite Frage lautet: "Wenn Du weiss bist, wie oft hast Du schon mal an einem Grundkurs oder Wochenendseminar oder einer Fortbildungsmaßnahme teilgenommen zum Thema: "Woran kann ich als Weisser Rassismus überhaupt erkennen?" Dann würde ich jetzt sogar noch eine Hypothek auf Haus und Hof aufnehmen, um darauf zu wetten, dass Deine Antwort ebenfalls "Nie" lautet.

Und jetzt stellt Euch vor, der weiße Fußballfunktionär Clemens Tönnies äußert auf einer Veranstaltung über das Fortpflanzungsverhalten der Afrikaner zwei diskriminierende Sätze, die inzwischen in Deutschland weit verbreitet wurden, nämlich: "Warum bauen wir nicht jedes Jahr 20 große Kraftwerke in Afrika? Dann hören die auf, Bäume zu fällen, und wenns dunkel ist, Kinder zu produzieren."


Und reflexartig wurden Stimmen laut, die besagten, dass die Aussage von Tönnies halt nur so rausgerutscht war. 

Was natürlich nicht nur inhaltlich falsch ist, sondern auch faktisch. Denn da gab es ja noch einen dritten Satz von ihm, direkt nach den beiden erst genannten, und dieser dritte Satz lautete: "Ich bin in Sambia gewesen, dort gibt es 14,6 Kinder pro Päärchen. Ja, was machen die, wenns dunkel ist?" Und mal ehrlich, wenn das ein Ausrutscher gewesen sein soll, dann hatte der aber eine ziemlich lange Bremsspur.

Und erst nach diesem dritten Satz geschah es, dass 1600 weiße Leute Beifall klatschten. Und das schöne: Nicht einer von denen würde von sich selber sagen, man sei Rassist. Und das noch schönere: Die allermeisten würden das auch so meinen. Daraus folgt: Es gibt in Deutschland zwar Rassismus, aber keine Rassisten. Ist das nicht beruhigend?!

Wobei der Vorwurf des Rassismus im Fall Tönnies ja "unbegründet" ist. Sagt wer?

Huub Stevens. Und Heribert Bruchhagen. Und Otto Rehagel. Und Peter Neururer, Und Friedhelm Funkel. Und BGH-Richter Thomas Fischer. Und Wolfgang Kubicki. Und Siegmar Gabriel. Und der Afrikabeauftragte der Bundesregierung Günter Nooke. Und der SWR-Intendant Kai Gniffke. Und der Vorstand von Schalke 04. Und der Ehrenrat von Schalke 04. Und welche Hautfarbe haben all diese Leute? Na schau mal an, die sind ja alle weiß.

Und wie viele Grundkurse, Wochenendseminare oder Fortbildungsmaßnahmen zum Thema "Rassismus" haben die besucht? Hmmm, kann man eigentlich auf Hypotheken noch mal Hypotheken aufnehmen? Ich frag nur für eine todsichere Wette.

Die Logik für Mitglieder der weißen Dominanzgesellschaft ist also ganz einfach: Wenn man von sich selber sagt, man sei kein Rassist, erhält man dadurch automatisch die Bestätigung, dass man deswegen auch nie etwas Rassistisches tun oder äußern könnte. Und wer erteilt diese Bestätigung? Mitglieder der weißen Dominanzgesellschaft. Ist das nicht praktisch?!
Das ist so, als würde Uli Hoeneß Schwarzgeld bunkern und sagen: "Aber ich bin kein Steuerhinterzieher", und ein Richter würde darauf zu dem Ergebnis kommen: "Na dann liegt ja wohl auch kein Vergehen vor."

Darum jetzt mal ganz langsam für alle zum Mitschreiben: Man muss kein Rassist sein, und kann sich dennoch rassistisch äußern. Man kann sogar aufrichtig kein Rassist sein wollen, und kann sich dennoch rassistisch äußern.  

Das blöde bei diesem Thema ist nämlich, dass wir Weissen so selbstverständlich in unserem "Weiß-sein" erzogen wurden, dass wir mitunter gar nicht merken, wenn wir uns Nicht-Weißen gegenüber diskriminierend verhalten. So, wie ein Handballspieler sich darüber wundern würde, wenn er beim Fußball die rote Karte bekäme. 

Die schlechte Nachricht ist also:

Es ist für Weisse so gut wie unmöglich, niemals rassistisch zu sein.

Die gute Nachricht ist: Man kann daran arbeiten, um das zu ändern.

Die entscheidende Frage dabei lautet: Will man dazulernen? Oder will man, dass die Erde eine Scheibe bleibt?

Für die ersten gibt es z B dieses Buch-> klick. Für alle anderen nicht mal was von ratiopharm.

Komisch in dieser ganzen Angelegenheit ist nämlich, dass es ja auch Leute gibt, die sagen, dass die Äußerungen von Tönnies sehr wohl rassistisch waren, wie z B Hans Sarpei, Gerald Asamoah, Cacau, Pablo Thiam. Charles M Huber, Nelson Müller. Aber das sind ja Schwarze. Und mal ehrlich: Was wissen die schon, gell?


 

Heinrich Glöckle

Bin noch nicht fertig.

Tönnies mit seiner Aussage nicht so verkehrt. Sein Nachsatz war absolut überflüssig. Stimmte aber auch. Siehe der Stromausfall vor Jahren in New York mit dem Resultat nach neun Monaten.

Wir heben uns bei der Debatte auf einen moralischen hohen Stuhl und sehen nicht, was wir für die Probleme und Auswirkungen in Afrika (und anderswo ) selber dazu beitragen. Mit Umformulierungen wie Schokoküsse, Serbisches Schnitzel u.a. ist es nicht getan.

Selbstkritik und nachdenken tut zur Zeit sehr gut

Hoffentlich fühlt sich jemand angesprochen
Heinrich Glöckle

Heinrich Glöckle

Hallo HG und Leserfreunde,

endlich mal unterschiedliche Meinungen zu der Monatspost.
Zu dem langjährigen Bezeichnungen wie Zigeunerschnitzel, Mohrenköpfe, Sarottimohr, Jägerschnitzel. u.a. nachstehendes.
Jäger haben sich nicht beschwert, die erstgenannten sind alles langjährige Bezeichnungen ohne jedwedigen negativen Hintergrund (sonst wäre diese ja auch nicht gegessen worden) Da wir aber in der Bezeichnung umgestiegen sind auf andere Namen wie "Sinti, Roma,Farbige, Dunkelhäutige, Afrikanische Migranten ... Was hält uns also ab, den Negerkuss oder Mohrenkopf so wieder zu bezeichnen? In meinem Geburtsort (kann ich nicht nennen wegen dem zu erwartenden Shittstorm, leider) gibt es seit über Hundert Jahren eine kleine Gaststätte die sich "zum Mohren" nannte. Die ganzen Jahre hatte noch nie einer ein Problem damit Wer jetzt ein Problem damit hat, hat das Problem bei sich zu suchen.

Nun zum Monatskomentar.
Auch ich finde die Aussage von Herrn Tönnies unglücklich und verfehlt. Doch was ist den die Botschaft seiner Aussage?
Für mich hat der Inhalt seiner Botschaft einen wahren Kern. Auf den geht du leider überhaupt nicht ein. Fehlende Infrastruktur, Strom, Bildung, sicheres Auskommen, keine Kriege und Korruption sind u.a. die Ursachen für das Leid der Menschen in Afrika. Die EU als Wirtschaftsmacht ist daran mit beteiligt. Toennies

Sonja

Danke, Dein Beitrag hat mich nachdenklich gemacht und ich muss Dir leider zu 100pro zustimmen, denn wo Du Recht hast, hast Du Recht!
Ich kann Deine Sammlung noch mit einem kürzlich gehörten Beitrag ergänzen: Wenn die Afrikaner sich an die Naturgesetze halten würden, d.h. nur so viel Nachkommen zeugen, wie Nahrung da ist, müssten Sie nicht auf der Flucht sein !! Ich fürchte, diese Denke ist unter Weißen weit verbreitet.

Weiter so, H.G. :-)

Christian

Deine Texte regen - im Unterschied zu einigen anderen in der Zunft der Kabarettisten - zum Nachdenken an ("Nachbrenner")! Danke!

Ein Gedanke für Dich: Wie viele Menschen hast Du in Deinen Programmen - verbal - an den Pranger gestellt? Wie oft waren darunter Schwarze (nur die Hautfarbe ist gemeint)? Wenn Du nun vielleicht "Nie" sagst, woran könnte das liegen? Darf man Menschen mit dieser Hautfarbe nicht kritisieren?
Wäre das dann vielleicht auch diskriminierend?
Jetzt sagst Du vielleicht, Du greifst ja nur die Mächtigen an und die sind halt Weisse. Gilt das auch für Ronny, die Dumpfbacke aus dem rechtsextremen Lager?

Dieter

Hi Butzko, gab's nicht vor vielen Jahren dei Bemerkung von Fürstin Gloia, dass die "Schwarzen" gerne schnackseln - und wer hat sich da aufgeregt?
Grüße vom Dieter

Ingrid Kingsford

Zunächst mal wäre es schön, wenn der Hinweis zu den verbotenen Sonderzeichen vor dem Schreiben des Kommentars erscheinen würde und nicht erst, wenn der Kommentar bereits geschrieben ist und dann noch mal überarbeitet werden muss.
-.-.-.-.-
Zum Thema mache ich jetzt mal ein paar eindeutig rassistische Aussagen und verwette ebenfalls Haus -ohne Hof, den behalte ich sicherheitshalber, man weiß ja nie-, dass sich nur Wenige darüber aufregen werden.
1. Während meiner 4 Jahre in Afrika habe ich festgestellt, dass die Afrikaner ein hervorragendes Rhythmusgefühl haben und sehr gut tanzen können
2. ich habe ebenfalls festgestellt, dass die afrikanischen Kinder sehr kreativ sind und selbst aus fast Nichts noch wunderbare Spielzeuge herstellen können.
3. Sollte ich in einem skandinavischen Land feststellen, dass die dort im Norden lebenden Familien im Allgemeinen mehr als 10 Kinder haben und z.T. Hunger leiden, würde ich vorschlagen, dass die Familien die langanhaltende Dunkelheit in den Monaten Oktober bis März mit Hilfe von ausreichend zur Verfügung gestellter Energie, durch
künstliches Licht erhellt und mit zusätzlicher Wärme ausgestattet (erzeugt mit Strom), dazu nutzen könnten, ihren Lebensstandard zu erhöhen und weniger Zeit damit verbringen müssten, sich gegenseitig warm zu halten.

Weiterhin habe ich noch ein paar Fragen an die Kommentargemeinde.
Warum beklagt sich niemand der hier ansässigen Leute aus Asien -z.B. die vielen Japaner in D'dorf und_oder Menschen aus dem südlichen Südamerika- über rassistische Äußerungen zu ihren Lasten?
Gibt es sie nicht oder sind diese Leute weniger empfindlich oder sind sie nur zurückhaltender, ihr Leiden in die Öffentlichkeit zu bringen?

Ich finde es schon auffällig, dass anscheinend nur Menschen aus ganz bestimmten Gegenden i.e. Afrika, Naher Osten und Südosteuropa, unter rassistischen Äußerungen der deutschen Ignoranten zu leiden hätten.

Und bei angeblich durchschnittlich 14,5 Kindern in sambischen Familien kann ich mir auch vorstellen, dass Herr Tönnies sich ehrliche Sorgen um die vielen halben Kinder gemacht hat. Mit mehr Licht wären die wahrscheinlich nicht passiert. Zwinkersmiley

Peter Schickinger

Mist, ich war ja noch gar nicht fertig:

Also: da quakt ein Entenhausenverschnitt bei jeder Gelegenheit "I am no rassist", wahrscheinlich kann er das Wort nicht schreiben, deshalb wiederholt er es so much.
Eigentlich sollten wir auf der ganzen Welt das Hirn mal wieder einschalten - aber aus der Geschichte zu lernen, fällt uns wohl unendlich schwer...
Frustrierte Grüße aus Bayern, Peter Schickinger

Mara

Ich gehöhre zu den Leuten, die aufrichtig versuchen, keine Rassistin zu sein. Aber immer wieder ertappe ich mich bei Gedanken, die zeigen, dass ich immer noch an mir arbeiten kann und auch will. Als Jahrgang 1953 bin ich leider mit vielen Vorurteilen aufgewachsen und verwende manchmal noch immer Ausdrücke wie "Negerküsse, Zigeunerschnitzel" und ähnliches. Besonders weil diese für mich nicht mit was Negativem verbunden sind, fällt es mir schwer, diese zu vermeiden. Aber wenn ich dann im Bekanntenkreis anhören muss, dass man es nicht übertrieben soll, man esse ja schließlich auch "Jägerschnitzel" und ähnliches, weiß ich, dass noch viel zu tun ist...

Sylvi Burkert

Danke für die erhellenden Worte, leider alle wahr!
LG aus deiner Fangemeinde