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Kunstfuzzis (APRIL 20)

im Apr. 2020

Liebe Freundinnen und Freunde des politischen Kabaretts,

ich muss ja zugeben, ich habe das große Glück ... und Privileg, nicht nur meine Leidenschaft zum Beruf gemacht haben zu dürfen, sondern auch noch davon leben zu können. Wobei ich weder ein berühmter Kabarettstar bin, der die großen Säle und Hallen füllt, und nicht weiß, wohin mit der Kohle. Ich bin aber auch kein unbekannter Kleinstbühnenkollege, der nicht weiß, woher mit der Kohle.

Ich habe keinen Vorgesetzten, der mir irgendetwas vorschreibt. Weshalb manche gerne mit mir sofort tauschen würden. Und außerdem kriege ich auch keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder Kurzarbeitergeld in einer Krise.
Und zack - erkundigen sich manche, ob man den Tausch nicht auch wieder rückgängig kann.

Und wenn man dann noch erfährt, dass es auf der ganzen Welt keine Berufsunfähigkeitsversicherung gibt, die Künstler versichert, dann wird einem schnell klar: Im Zirkus gibt es für Artisten Netz und doppelten Boden. Stürzt man außerhalb der Manege ab, dann wie bei einem Bungeesprung, nur ohne Seil.

Aber das ist nun mal unser Berufsrisiko, das man jedoch gerne in Kauf nimmt,
solange man es selbstbestimmt in der Hand hat, ob und wie erfolgreich man ist, oder nicht.
Als aber im März mein Email-Eingang plötzlich überlief mit Auftrittsabsagen, und mir klar wurde, dass ich auf unbestimmte Zeit keine Einnahmen mehr haben werde, da wurde mir eines klar, nämlich, dass mir eines bestimmt nicht klar wurde, nämlich: Wer bestimmt eigentlich, wie lange "unbestimmte Zeit" dauert? Klar: Bestimmt nicht ich.

Aber dann hat ja Bundesfinanzminister Olaf Scholz am 13. März, das war ein Freitag. an einem Freitag, den 13., da hat Olaf Scholz auf einer Pressekonferenz gesagt, dass die Bunderegierung die finanzielle (Zitat:) "Bazooka" rausholt und (Zitat:) "den Veranstalter absichert, dass er seine Verpflichtung dem Künstler gegenüber erfüllen kann, wenn er ihn jetzt abbestellt."
Und was ist passiert? Sofort gab es Proteste, weil man daran mal wieder gut sehen konnte, wie sexistisch die Strukturen in unserer Gesellschaft sind, denn Veranstalterinnen und Künstlerinnen hat er ja ausdrücklich nicht genannt.

Bazooka, so nannten übrigens die GIs im zweiten Weltkrieg ihre Panzerfaust. So, und jetzt stehe ich ja seit der Ankündigung vom Scholz mit sehr vielen Veranstaltern in Verbindung, und mit Veranstalterinnen, und hab sie gefragt, ob denn schon bei ihnen das Geschoss einer Bazooka eingeschlagen hat, also einer finanziellen?
Und was soll ich sagen? Hätte die US-Army im 2. Weltkrieg gegen die Wehrmacht die gleiche Trefferquote erzielt, das Endspiel zur deutschen Meisterschaft liefe nächste Saison zwischen Rapid Wien und Real Madrid.

Gut, Bazooka, das war ja ursprünglich eine Art Posaune. Und da hat Olaf Scholz letztlich ja doch Wort gehalten: Denn wie spielt man so ein Blasinstrument? Backen dick aufplustern und dann viel dünne Luft ablassen.

Und dann kamen aber auch schon die nächsten vollmundigen Versprechungen um die Ecke, von wegen: "Wir lassen unsere Künstler nicht im Stich". (Wir sehen: Künstlerinnen gingen wieder leer aus.) Und dann haben sie jedenfalls unbürokratische Soforthilfen für Soloselbstständige angekündigt.
Super Sache. Und noch superer: Die waren an Bedingungen gebunden. Die konnte man nämlich nur beantragen für (Zitat:) "laufende Betriebskosten, wie z B Mieten, Kredite für Betriebsräume, Leasingraten u.ä."
Und das macht Sinn. Vor allem, weil ja so viele Künstlerinnen und Künstler Betriebsräume haben. Wie oft sieht man zwischen einem Zeitschriftenhändler und einem Lebensmittelgeschäft einen Satireladen. Direkt neben dem Poetryslambüroturm. Gegenüber dem Warenlager für abgestandene Comedypointen. Und unten im Parkhaus stehen ja unsere Dienstlimousinen. Unsere Geschäftsporsches und Rolls Royce, für die wir ja diese Leasingraten abstottern müssen.

Private Lebenshaltungskosten, die können von soloselbständigen Künstlerinnen und Künstlern für die Coronahilfen hingegen nicht geltend gemacht werden. Dafür soll man an Rücklagen und Ersparnisse ran. Rücklagen und Ersparnisse, also das, was Adidas nicht hat.

"Wir lassen unsere Künstler nicht im Stich." war eben nur der halbe Satz. Er ging weiter mit: "...,um die Rechnungen ihrer Vermieter, Telefonanbieter, Stromversorger und Versicherungen begleichen zum können.

Was aber auch verständlich ist: Denn auch Vermieter, Telefonanbieter, Stromversorger und Versicherungen sind ja auf Einnahmen angewiesen,
um die Kredite, die sie wiederum bei den Banken haben, bedienen zu können.
Und die Schlagzeile: "Deutsche Banken verzichten freiwillig aus Solidarität auf einen Teil Ihrer Einnahmen "... das wäre ja wie die Schlagzeile: "Queen Elisabeth verzichtet freiwillig auf ihren Thron." oder: "Die Erde ist eine Scheibe." oder "Donald Trump sieht ein, dass er doof ist."

Aber ist das nicht interessant?
Die Finanzkrise, also Leman Brothers und Hypo real estate, usw.
Das war unterm Strich eine Bankenkrise.
Die Griechenlandkrise, Staatsverschuldung, Eurorettungsschirm, etc.
Das war unterm Strich eine Bankenkrise.
Die Coronakrise, ja schau mal an, und schon winken uns die Banken entgegen:
"Juchhu, da sind wir wieder..."

Und angesichts der Rücklagen und Ersparnisse, die soloselbständige Künstlerinnen und Künstler für gewöhnlich so haben, heißt die Corona-Unterstützung (nicht für mich, aber) für viele meiner Kolleginnen und Kollegen schon ganz bald nix anderes als: "Sobald Sie Hartz4 beantragen müssen, beantragen Sie Hartz4."

Oder mit anderen Worten: Die in Berlin regieren komplett an unserer Lebensrealität vorbei. Und wisst Ihr, wo ich diesen Satz zuletzt immer wieder gehört habe? Bei Ostdeutschen, die begründet haben, warum sie die AfD wählen.. Hmmm...???

Jetzt könnt man sagen: Na und? Gibt Leute, die sind schlimmer dran. Die paar Kunstfuzzies. Was soll der Aufstand?
Nunja, die paar Kunstfuzzies, das sind nach Auskunft des Bundeswirtschaftsministeriums über 1,2 Millionen Bürgerinnen und Bürger, die jedes Jahr über 150 Milliarden Euro Umsatz machen und damit 3 % zum deutschen Bruttoinlandsprodukt beitragen.
Die paar Kunstfuzzies werden in ihrer Wirtschaftskraft in Deutschland nur von der Automobilbranche übertroffen.

Und da stellt sich natürlich schon auch noch eine Frage: Wäre es nicht eigentlich effektiver, die Regierung würde Vermietern, Telefonanbietern, Stromversorgern, Versicherungen und Banken Coronahilfen anbieten, um deutsche Künstler bezahlen zu können, und ...Künstlerinnen..!? PS: Diesen Letter gibts auch als Video, wenn man hier -> klickt

Hubert Probst

Sehr geehrter Herr Butzko,
unter "soforthilfe-corona.nrw.de" können Sie online Soforthilfe beantragen. Dies geht relativ unbürokratisch und schnell. Ich habe von jemand in BW gehör, dass er innerhalb von 2 Tagen schon Geld auf seinem Konto bekam.
Beste Grüße aus Dillingen